„Ich hatte schon immer meine eigenen Ideen“

Frank Schmidt hat nicht nur eine interessante Familiengeschichte, sondern auch das Unternehmer-Gen: Wie er aus einem Einmannunternehmen einen großen mittelständischen Logistik-Dienstleister formte und welche Werte ihm dabei wichtig sind, erzählt er im großen Exklusiv-Interview im LT Manager.

LT-manager: Wie kommt man auf den Namen Trans Service Team? Normalerweise reden wir ja eher von Spedition Meier oder Meier Logistik …
Frank Schmidt: Ich bin mit dem Betrieb meiner Eltern aufgewachsen, mein Vater war reiner Fuhrunternehmer. Ich hatte immer an der Tür gekratzt und schon immer meine eigenen Ideen, aber meine älteren Brüder waren als Führung gesetzt, also kam ich nicht damit durch. Das hat mich 1990 dazu gebracht, ein eigenes Unternehmen zu gründen. Ich wollte mit meinem eigenen Lkw durch die Gegend fahren, Zeit und Ruhe genießen. Das klappte auch bis 1994. Ambitionen, zu wachsen, hatte ich bis dahin nicht. Dann ergab sich die Chance, einen großen Auftrag zu übernehmen. Und so saß ich auf der Couch – die es heute immer noch gibt – und habe mir einen Namen für das Unternehmen überlegt – Trans Service Team: Transportieren mit Service im Team, der Name war gefunden, ganz einfach.

LTM: Die Gründercouch gibt es noch?
Schmidt: Ja, die steht jetzt in einem der Konferenzräume. (lacht)

LTM: Fahren und Spaß haben stand im Vordergrund?
Schmidt: Ja, als ich im Lkw saß, habe ich sicher nicht an ein Unternehmen mit 3.000 Mitarbeiter gedacht, das es mal werden sollte. Damals konnte man auch beim Fahren noch mehr Spaß haben. Ich habe heute noch Diesel im Blut, obwohl ich seit 1996 nicht mehr selbst fahre. Ich kann das noch. Heute bewege ich ein großes Wohnmobil, das reicht (lacht). Ich habe Familie und genieße jede Minute mit ihr.

LTM: In einem Interview werden Sie mit dem Satz zitiert, „Ihr werdet euch noch umgucken“, als Sie von Ihrer Loslösung vom elterlichen Betrieb sprachen. Was steckt dahinter?
Schmidt: Wenn Sie in einer Großfamilie aufwachsen und eines der jüngsten von sechs Kindern sind, haben sie ein gewisses Geltungsbedürfnis. Früher wurden Wetten abgeschlossen, wie lange ich meine Eigenständigkeit wohl durchhalten würde – das hat mich angespornt.

LTM: Man hat darauf gewettet, wann Sie vernünftig werden?
Schmidt: Ja, so kann man es nennen, und es war auch eine Ansage an meine Eltern. Für meinen Vater war mein Weg in die Selbständigkeit der Ausbruch einer seiner Jüngsten, ein Eklat. Dass das Unternehmen einmal so groß werden würde, war zu diesem Zeitpunkt ja noch gar nicht absehbar. Doch bis heute wachsen wir Jahr für Jahr.

LTM: Haben Sie sich je wieder versöhnt?
Schmidt: Das haben wir. Mein Vater hat es sogar einmal geschafft, mir die Hand auf die Schulter zu legen und zu sagen, dass er stolz auf mich ist. Das war schon nicht leicht für ihn. Er wird in diesem Jahr 88 Jahre alt und lebt nun direkt in meiner Nachbarschaft. Ich unterstütze meine Eltern, obwohl sie mir anfangs große Steine in den Weg gelegt haben. Ich war aus ihrer Sicht das „schwarze Schaf“, aber ich war nicht zu halten.

LTM: Im Laufe der Jahre haben Sie zahlreiche Familienmitglieder, auch ihre Geschwister, ins Unternehmen integriert. Wie kam es dazu?
Schmidt: Ich denke, ich bin mit der Motor von TST, ein Innovations­treiber. Etwa 1995 habe ich erkannt, dass es auf dem Transportsektor schwer werden könnte, wir waren zu abhängig vom reinen Transport, mussten also unabhängiger werden. Daher haben wir die Logistik fokussiert. Paletten von links nach rechts zu schieben war mir allerdings zu wenig. Also bin ich tiefer in den Materialfluss eingetaucht und habe mir die Prozesse meines ersten Kunden angesehen. Meine Vorschläge wurden angehört und haben eingeschlagen wie eine Bombe. Ich durfte alle Werke analysieren und die Prozesse anpassen. Für den Schritt in die produktionsnahe Logistik brauchten wir ordentliche Lagerhallen. Und so hat TST 1996 die ersten drei Millionen Mark in eine Speditionsanlage investiert. 1998 ging es damit weiter und wir kauften dann eine richtig große Logistikanlage, weil wir die entsprechenden Aufträge hatten. Im Jahr 2000 musste mein Vater seinen Betrieb aufgeben, er hatte sich zu sehr auf Stückguttransporte konzentriert. Ich habe das Unternehmen dann übernommen und alle Arbeitsplätze gesichert. Das Fundament für die Expansion war gelegt.

LTM: Muss man ein Unternehmen, in dem viele Positionen mit Familienmitgliedern besetzt sind, anders führen?
Schmidt: Ein Familienunternehmen müssen sie sehr sensibel führen und darauf achten, jedem Familienmitglied seinen Zuständigkeitsbereich zu geben. So kann sich jeder in dem Bereich, für den er verantwortlich ist, entfalten und ist hochmotiviert. Schließlich geht es darum, dass wir alle an einem Strang ziehen und in dieselbe Richtung arbeiten. Mit selbstverliebten Egoisten im Unternehmen kommen Sie nicht weit. Jeder Einzelne muss abgeholt werden. Und denken Sie nicht, dass die Integration so einfach war, wie sich das jetzt hier anhört …

LTM: War sie nicht?
Schmidt: Wenn Sie ihre älteren Brüder ins Unternehmen holen, müssen sie erstmal mit Leistung überzeugen. Und Talent. Das wurde mir glücklicherweise in die Wiege gelegt.

LTM: Machen Sie einen Unterschied ­zwischen Familienmitgliedern oder „normalen“ Mitarbeitern?
Schmidt: Das kann man nicht pauschal beantworten, wichtig ist, alle abzu­holen und auf dem Weg mitzunehmen. Aber selbstverständlich ist es ein sensibles Thema und man muss mit Fingerspitzengefühl rangehen. Wir setzen bei TST auf Nachhaltigkeit und Vertrauen. Ich bin niemand, der ­Mitarbeiter eiskalt auf die Straße setzt. Da muss schon viel passieren!

LTM: Wie moderieren Sie Konflikte?
Schmidt: Wir halten öfters Familienrat bei größeren Themen, die letzte Entscheidung haben dann meine Frau und ich. Wir begegnen uns mit großem Respekt.

LTM: Wie sieht es mit der nächsten, dritten Generation aus? Ist diese auch schon im Unternehmen?
Schmidt: Die Kinder meiner Geschwister sind bereits im Unternehmen. Meine ältere Tochter wird in zwei Jahren ins Unternehmen eintreten und es perspektivisch übernehmen. Ich denke, die Jüngere wird auch folgen. Viele Unternehmer kümmern sich zu spät um die Nachfolge, ich fange lieber früh damit an. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass das Unternehmen nicht nur aus mir besteht. Wir bauen aktuell gerade einen Ring an Managern auf, die die Familienmitglieder umgeben, beraten und die auch im Unternehmen bleiben. Man braucht ein Team.

LTM: Sind Mafia-Witze bei TST eigentlich noch erlaubt? Ich werde den Gedanken einfach nicht los (schmunzelt).
Schmidt: Das hört man ab und an bei unseren Kunden (lacht). Ich habe immer wieder Angebote, mit meiner Story in Talkshows zu gehen. Aber ich will das nicht. Wir sind keine Mafia und keine Selbstdarsteller. Wir sind ein unabhängiges, gesundes mittelständisches Familienunternehmen. Und obwohl wir den ganzen Tag eng mit Familienmitgliedern zusammenarbeiten, klatschen wir uns ab, wenn wir uns am Abend sehen. Diskussionen oder Auseinandersetzungen sind eher selten.

LTM: Stimmen Sie zu, dass der reine Transport etwas ist, was mittlerweile alle können und in den Services immer noch „Musik“ ist?
Schmidt: Das gilt nach wie vor. Wir sind schon 1996 so tief in die Prozesse unserer Kunden eingetaucht, dass wir den Materialfluss in einer Produktion beeinflussen und optimieren konnten. Heute spricht jeder über Industrie 4.0 und perfekte Lösungen. Die gibt es nicht. Es gibt nur intelligente Logistik­lösungen, die in Kombination von Robotern und Menschen funktionieren. An der Schnittstelle Mensch-Maschine gehören wir, und da bin ich selbst­bewusst, zu den mit Sicherheit großen Ideengebern unter den Logistikdienstleistern. Bei unseren Kunden sind wir für unsere sehr innovativen Lösungen und Ideen bekannt und sehr geschätzt.

LTM: Können Sie Beispiele geben?
Schmidt: Für einen großen japanischen Konzern, dessen Namen ich nicht nennen darf, haben wir nicht nur Komponenten produziert, sondern auch die Robotertechnik mitkonzipiert. Generell stecken wir so tief in den Materialflüssen, dass wir sogar Patente für bestimmte Entwicklungen halten. Bis Kunden allerdings einem Logistikdienstleister so weit vertrauen, ist es ein langer und weiter Weg.

LTM: Sind die ausgeklügelten Logistik- und Materialflusskonzepte, die Sie für Kunden entwickeln, lukrativer? Warum tun Sie sich das an, in diesem Bereich so viel Expertise aufzubauen?
Schmidt: Ja, sehen Sie: Wir haben eine Eigenkapitalquote von 60 Prozent und finanzieren uns bis auf wenige Ausnahmen komplett selbst, sind also bankenunabhängig. Es gibt zwar keine 100-Prozent-Lösung in der Logistik, aber nur mit intelligenten Lösungen kann man noch einigermaßen Geld verdienen. Um uns herum ist doch alles Logistik, aber es kommt darauf an, es richtig zu machen. Früher haben wir uns mit Kunden den Benefit, der sich aus einem verbesserten Materialfluss ergibt, geteilt. Heute ist es eher so, dass wir so ausgebucht sind, dass wir für komplexe Anfragen für die nächste Zeit nur noch eingeschränkte Ressourcen verfügbar haben. Wir müssen in den kommenden zwei Jahren 800 Mitarbeiter einstellen, aber auch bei uns dauert das natürlich, bis sie alle an Bord sind.

LTM: Was versetzt Sie bei vielen Projekten in die Lage, den Materialfluss besser beurteilen zu können als der Kunde?
Schmidt: Ich kann das nicht besser als das Unternehmen, aber vielleicht in vielen Fällen anders und oft besser als die Mitbewerber, die sich ebenfalls an der Ausschreibung um das Projekt beteiligen.

LTM: 3.000 Mit­arbeiter, 300 Millionen Umsatz, Familie befriedet – was nun?
Schmidt: Ich fange mit dem Unternehmen an, das geht vor. Ich möchte die Firma gern auf noch mehr unterschiedliche Säulen setzen und TST zur Marke weiterentwickeln. Wir wollen das Dienstleistungsportfolio erweitern, aber nur zu vernünftigen Margen. Für ein oder zwei Prozent machen wir das nicht. Was haben Sie von Wachstum, wenn unterm Strich nichts überbleibt?

LTM: Und persönlich?
Schmidt: Ich hätte gern ab und zu mehr Ruhe für mich. Freizeit zu haben, ist gar nicht so unangenehm (lacht). Mehr Urlaub machen, mit dem Wohnmobil reisen und das Wichtigste: mehr Zeit für meine Familie! Ich möchte auch meine Kinder in das Unternehmen integrieren, auch das ist mir wichtig. Aber, das Unternehmen verkaufen? Das interessiert mich nicht, solche Angebote lehne ich regelmäßig ab.

LTM: Was ist das Schönste für Sie an ihrem Beruf?
Schmidt: Ideen zu haben und diese auch umsetzen zu können. Ich habe neun Assistenten um mich herum, die haben genug zu tun (lacht).

LTM: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview mit Frank Schmidt führten Marvin Meyke und Martin Schrüfer. Die beiden trafen den Logistiker in der ISArBAR im Hotel Sofitel München Bayerpost – wir bedanken uns für die freundliche Unterstützung vor Ort.

Unternehmer, Macher, Familienmensch: Die Story von Frank Schmidt

Vom Fernfahrer mit einem Lkw zum Firmenchef mit mehr als 3.000 Mitarbeitern: Innerhalb von drei Jahrzehnten hat der Rheinhesse Frank Schmidt ein Logistikunternehmen aufgebaut, das heute zu den führenden Dienstleistern für Industrie- und Fertigungslogistik in Deutschland zählt. Es ist eine Geschichte der mutigen, unbequemen Wege: Statt in die väterliche Spedition einzusteigen, gründete Schmidt im Jahr 1990, mit nur 23 Jahren, sein eigenes Unternehmen und lieh sich 180.000 Mark von der Bank, um sein erstes Fahrzeug zu kaufen. Bereits drei Jahre später bezieht er sein erstes Logistikzentrum und wird Dienstleister für einen der führenden Kosmetik- und Waschmittelhersteller Deutschlands. Als 2001 die Spedition seines Vaters schließt, übernimmt er die Firma und stellt alle Mitarbeiter und seine Geschwister ein. Mit mittlerweile 38 Familienmitgliedern, die heute bei Trans Service Team arbeiten, ist der Wormser Logistiker ein echtes Familienunternehmen. Heute führt der 52-jährige mit seiner Frau Melanie ein Unternehmen, das weltweit 73 Lager- und Logistikstandorte mit mehr als einer Million Quadratmeter Lagerfläche betreibt. Der Vater von zwei Töchtern ist begeisterter Anhänger des Oberligisten Wormatia Worms.

Hier geht es zum LT Manager Ausgabe Nr. 48-3-4/2019.

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