Das Signal damit ist klar: „Wir wollen den Kontraktlogistikbereich deutlich ausbauen.“ Angesichts des rapiden Wachstums geht es aber zunächst darum, „Strukturen aufzubauen“, bekennt der Firmenchef. Denn: Inzwischen verfügt TST weltweit über 77 Standorte, die überwiegende Mehrheit davon, rund 70, in Deutschland. So müsse beispielsweise ein Risk Management eingeführt werden, um so für kontinuierliche Auslastung der Anlagen zu sorgen.
Aber es steckt ein weiteres Signal dahinter. „Wir wollen uns weiterentwickeln und unser Portfolio erweitern“, macht Schmidt klar. In den vergangenen zehn Jahren ist die TST-Gruppe als Hidden Champion eher im Verborgenen und geräuschlos gewachsen. Inzwischen ist der Mittelständler zu einem ernst zu nehmenden Player in der Produktions- und Industrielogistik aufgestiegen. Auch das machen diese Personalien deutlich.
Der heute 54-jährige Selfmademan Schmidt ist 1990 mit einem Lkw gestartet. Inzwischen führt der Rheinhesse zusammen mit seiner Frau Melanie und Geschäftsführer Marcel Bicking eine Unternehmensgruppe, die aus etwa 30 Firmen besteht, rund 3.300 Mitarbeiter beschäftigt und in diesem Jahr einen Umsatz von etwa 380 Millionen Euro erzielen wird. Ein echter Familienbetrieb: 37 Mitglieder des „Schmidt-Clans“ arbeiten in dem Unternehmen.
Das TST-Produkt zu beschreiben, ist für Außenstehende nicht einfach. Für Schmidt selbst dagegen schon: „Unser Produkt ist die Vision. Wir sind ein Full-Service-Logistiker – Logistik einfach machen, lautet deshalb auch unser Motto.“ Er präzisiert: „Wir haben Ideen, wie die Produktions- und Entsorgungslogistik effizient gestaltet werden kann.“ Dies beginnt in der Regel mit den Wünschen und Überlegungen der Kunden zum jeweiligen Materialfluss in der Produktion, geht über den Bau von Hallen bis hin zur Lagertätigkeit, der Kommissionierung und vor- sowie nachgelagerten Transporten mit einem 150 Lkw umfassenden eigenen Fuhrpark. Dabei ist letztlich jedes Projekt „mehr oder weniger ein Unikat“.
GUTE REFERENZEN
Der Erfolg gerade in den vergangenen zehn Jahren spricht für sich. „Wir haben nicht einmal einen Vertrieb, sondern wir leben von unseren Referenzen“, so Schmidt. Namen wie Henkel, Unilever, Daimler Nestlé, BASF, Intersnack, Tchibo oder auch der zum japanischen Hitachi-Konzern gehörende Automobilzulieferer Isolite stehen auf seiner illustren Kundenliste. Sie repräsentieren die Säulen, auf denen TST steht: Chemie, Pharmazie, Automobil, Lebensmittel und Industrie. Hinzu kommen die branchenübergreifende Werks- und Intralogistik sowie der eigene Fuhrpark. Auch in das E-Commerce-Feld drängt TST.
Die Weichen seines Erfolgs in der Materialflussoptimierung wurden Mitte der 90er Jahre eher zufällig gestellt. In einem Lager der damaligen Win Cosmetic gab Schmidt beiläufig dem verantwortlichen Leiter „ein paar Tipps, wie man es besser machen kann“. Zufällig kam Geschäftsführer Ulrich Grieshaber vorbei, „und ich durfte ein paar Ideen in die Inhouse- Logistik einbringen“, erinnert sich Schmidt. „Wäre der Geschäftsführer nicht in dem Moment vorbeigekommen, würde ich heute wohl immer noch auf dem Bock sitzen“, schmunzelt er. Die Win Cosmetic – längst in der Dalli Group aufgegangen – war viele Jahre der Ankerkunde „und Ulrich Grieshaber mein Mentor“.
Der nächste Schub kam dann Anfang der 2000er Jahre: Schmidt konnte mit der Einkaufsgesellschaft Markant einen zweiten Großkunden gewinnen, das Projekt Unabhängigkeit begann. Anschließend waren es oft kleinere Unternehmen, mit denen TST begann und dann mitwuchs. Inzwischen kommen immer mehr Neukunden auf die Wormser zu.
Dabei sind die Zeiten, in denen Geschäfte über den Preis gewonnen wurden, längst vorbei, bilanziert Schmidt. „Wir mussten erst einmal Vertrauen schaffen, dass das, was wir vorschlagen, auch vernünftig ist.“ Heute ist das anders. „Wenn wir Tender gewinnen, dann weil wir einfach gute Ideen haben“, sagt er selbstbewusst.
Einige Beispiele: So hat der Snackhersteller Intersnack früher leere Nussdosen aus Übersee importiert, um sie dann in seinem Werk in Schwerte zu füllen. Heute werden nur noch die Metalle auf Rollen angeliefert, eine Maschine im TST-Lager presst die Dosen, die dann direkt in die Abfüllung gehen. So konnten durch Neustrukturierung von Beschaffungs- und Produktionsabläufen bereits viele Tonnen an CO2-Emissionen gespart werden, freut sich Schmidt. Und es wurden natürlich auch Kosten reduziert.
Oder: In einem anderem Projekt wurden auf TST-Initiative aufwendige Verpackungsmaschinen mit zahlreichen unterschiedlichen Komponenten gebaut, die jetzt von zwei großen Herstellern von stillem Wasser gemeinsam genutzt werden – mit entsprechenden Synergien.
TST hat auch die Ausschreibung von Henkel für ein neu zu bauendes Chemielager gewonnen. Sie enthielt neben einem bereitzustellenden Grundstück die Anforderung, sechs verschiedene Güterarten in einem Lager zusammenzubringen, inklusive der Beachtung von Zusammenlagerungsverboten, einem optimalen Materialfluss und einer geeigneten Löschtechnik. Die Lösung war ein sternförmiges Lager – „wir hatten das beste Modell und damit den Tender gewonnen – mit der heute weltweit besten Löschtechnik und Vorbildfunktion“. Mit Hilfe solcher Ideen hat sich der Umsatz seit 2010 von damals rund 35 Millionen Euro mehr als verzehnfacht.
Finanziell steht die TST-Gruppe längst auf festen Füßen. Die Eigenkapitalquote beträgt weit über 60 Prozent, die Marge stimmt, auch wenn sich Schmidt dazu im Detail nicht äußern will. Aber „für 2 oder 3 Prozent arbeiten wir nicht“, unterstreicht er.
Und wie soll es weitergehen? „Wir wollen gezielt in unseren Nischen wachsen – wobei wir da selektiv vorgehen.“ Vorrangiges Ziel sei nicht, den Umsatz weiter nach oben zu treiben. „Wir haben eine gesunde Größe, mit der wir als Familienunternehmen überleben können.“ So denkt er auch überhaupt nicht an einen Verkauf, auch wenn „viele Große schon angeklopft haben, aber wir sind nicht interessiert“.
Genug zu tun hat TST. So werden bis 2023 fünf Logistikanlagen entstehen in den Segmenten Chemie, Pharmazie und E-Commerce, zwei weitere Projekte sind in Vorbereitung. Deutschland wird unverändert der zentrale Markt bleiben.
Schmidt selbst schreibt sich das Talent zu, mit einem Blick logistische Optimierungspotenziale zu erkennen und ein Gefühl für Ideen und Innovationen zu haben. „Ich gehe in einen Prozess und erkenne recht schnell, wo etwas zu verbessern ist.“ Diese Fähigkeiten haben ihm auch die Spitznamen „Daniel Düsentrieb“ nach dem Erfinder aus den Disney-Comics und „Wickie“ nach dem ideenreichen Wikingerjungen („Ich hab’s) eingebracht.
Bereits begonnen hat Schmidt damit, seine Nachfolge zu regeln. Aus dem Operativen will er sich sukzessive zurückziehen, eher beratend tätig sein. Die Gruppe soll künftig von einem Vierer-Gremium unter der Leitung von Geschäftsführer Marcel Bicking geführt werden. Die ältere Tochter Marie wird dabei sein – sie hat im Unternehmen bereits begonnen und abvolviert ein duales Studium.
Schmidt selbst will künftig mehr mit seinem Wohnmobil reisen, das Leben genießen und ohne Telefon durch den Wald laufen. Dabei wird ihm sicher noch die eine oder andere zündende Idee kommen.
Wenn wir Tender gewinnen, dann weil wir einfach gute Ideen haben.Frank Schmidt, Inhaber der TST-Gruppe
Quelle: DVZ, 26. Oktober 2021